Fischbach

Um die Jahrtausendwende hielt die Burg Fischbach Wache an der Straße, die von Rohrbach durch die Wälder entlang der Kleinen Mühl zur Donau zog. Albrand, der Burgherr, rodete mit seinen Siedlern die Wälder ringsum und erbaute ihnen hoch über dem Graben, in dem der Fischbach der Kleinen Mühl entgegengerauscht, das Dörfchen Fischbach.

Die Hitze des Sommers 1427 lastet über dem Waldland. Das Heu dörrt schon tagelang auf den Wiesen, aber niemand kommt, um es einzuführen. Seit vor Haslach der Huß lagert, sind die Bauern alle davongelaufen. Die einen sind in die tiefen, unwegsamen Wälder geflohen, die anderen haben hinter den festen Mauern die Märkte und Burgen Zuflucht gesucht. Die Tore der Burg Fischbach sind seit Tagen verrammelt. Seit der Fischbacher mit seinen Recken den Hussiten vor Rohrbach eine schwere Niederlage bereitet hat, richtet sich der Zorn des böhmischen Heerführers Zischka auf ihn. Sooft über der Straße der Staub zu wirbeln beginnt, stößt der Turmwächter in das Horn. Dann eilen die Verteidiger die Wehrgänge entlang und beziehen Posten hinter den Schießscharten und Maurerzinnen. Noch sind es neue Späher, die sich nicht an die Burg heranwagen.

Sie verlassen die Straße, reiten durch die den Fischbachgraben und kundschaften die Gegend rings um die Burg aus. Sie verweilen in allen Himmelsrichtungen, als möchten sie die schwächste Stelle der Wehrmauern ergründen. Wie lange wird es noch dauern, bis die hussitischen Heerhaufen anrücken werden? Tage bangen Wartens verrinnen. Eines Morgens blinken im ersten Schimmer die Lanzen der Hussitenstreitmacht am Horizont auf. Gemächlich, aber unheimlich wälzt sich das Heer an die Burg heran. Zuvorderst schreiten die Bogenschützen. Brandpfeile schwirren durch die Luft, schlagen in die zunderdürren Schindeldächer der Burg und verwandeln sie im Nu in Brandfackeln. Während in den Dächern das Feuer prasselt, hebe an den Mauern ein blutiges Ringen an, wie es Fischbach noch nie geschaut. Sturmböck rollen heran. Gedeckte Steigleitern werden angelehnt, und die Maurerbrecher beginnen zu donnern. In hartem Kampf wehren die Fischbacher den Ansturm der streiterprobten Hussiten ab. Das ist ein Schreien und Stöhnen, ein Fluchen und Röcheln, das über den Fischbachgraben hinhallt. Die Belagerten wissen, dass es für sie keine Gnade gibt, wenn sie in die Hände des Feindes fallen. Viele sinken, zu Tode getroffen, unter dem erbarmungslosen Streichen hin. Bis zum Abend währt der blutige Kampf, dann brechen die tapferen Verteidiger unter dem Druck der feindlichen Übermacht zusammen. Niemand entgeht dem Schicksal.

Im Herbst sammeln sich die geflohenen Menschen wieder in ihren Dörfern. Was sie antreffen, sind nur Trümmern. Die ausgestandenen Schrecken aber lassen sie die Kälte des Winters, der sie nun preisgegeben sind, vergessen. Im Frühjahr gehen sie daran, ihre Heimstätten wieder aufzubauen. Nur in Fischbach kehrt kein Leben mehr ein. Als die Rohrbacher ihren Markt aufbauen, finden sie, dass sich die guten Quadersteine der Ruine Fischbach vortrefflich für den Bau ihrer Kirche eignen. Sie brechen alle Mauern der Ruine nieder und schaffen das Baumaterial nach Rohrbach. Auf dem Trümmerhaufen, der von der einstmals stolzen Feste übriggeblieben ist, beginnt das Unkraut zu wuchern. Der Wind trägt den Samen des Waldes herbei, und der Hochwald schlägt wieder in seinen Bann, was ihm einst so schwer abgerungen worden ist. Ein Teich inmitten des Waldes, dem Burgholz, bildet sich aus dem Wehrgraben und gibt allein Kunde  vom Standort der zerstörten Burg Fischbach.

Zwischen Morgendämmerung und Sonnenaufgang ertönt manchmal im stillen Wald ein Rufen, begleitet von Waffenklirren und Pferdewiehern. Das ist der letzte Burgherr von Fischbach, der mit seinem Recken unter den Trümmern des Burghügels begraben liegt und an bestimmten Tagen aus seinem Grabe steigt, um sein Land vor drohenden Gefahren zu warnen.

 

Reiter im Wald