Die Wasserhexe vom Katzensteg

Vom Schloss Götzendorf läuft über den Katzensteg ein Weglein talwärts zum Fischbach, den zwischen Erlengsbüsch und Weiden der Katzensteg überquert. Vor langer Zeit trieb dort zur Nachtzeit eine Wasserhexe ihr Unwesen. Ein Fuhrmann hatte sich im Wirtshaus zu lange verweilt und war in die Nacht geraten. Im Mondschein zog er nun mit seinem Gespann gemächlich gegen Dobretshofen. Ehe er aus dem Fischbachtal den steilen Weg bergan einschlug, hielt er die Rosse an und ließ sie rasten. Als das Knarren der Räder verklang und sich die Stille der Mondnacht ausbreitete, vernahm er das gleichförmige Pläterschen des Fischbaches. Er wandte seinen Blick zum Wasser, das talaus zur Kleinen Mühl eilte. Da schwoll auf einmal das Plätschern zu einem starken Rauschen auf. Es platschte, klatschte und spritzte, als zöge jemand mit großer Kraft Wäsche durch das Wasser. Der Fuhrmann hielt den Atem an und horchte. Immer lauter wurde das unheimliche Rauschen des Baches und das Schwemmen von Wäsche. "Wer kann da mitten in der Nacht Wäsche schwemmen"?, rätselte er und bohrte seine Blicke abermals den Bachlauf entlang. Kopfweiden reckten ihre dünnen Zweigstangen im Silberschein des Mondlichtes zum Himmel. Nebel kam auf, quoll und brodelte zwischen Busch und Baum. Aber niemand war zu sehen. Der Knecht griff nach der Peitsche und trieb die Pferde an. Das Geräusch des Schwemmens aber schlug auch jetzt noch laut an sein Ohr, als die Räder es Furhwerkes wieder knarrten. Da erfaßte ihn ein Grauen. Er war schon viele Nächte um die Wege gewesen, doch nun bebte er vor Angst am ganzen Körper. Nebel hüllte ihn ein. Das Rauschen schien in die Höhe zu steigen und erfüllte den ganzen Himmel. Keuchend drückte sich der Knecht in den Wagen und blickte unverwandt in den dampfenden Himmel. Ihm war, als sähe er darin das aufgelöste Haar eines Weibes flattern und als langten riesige Hände mit spitzen Krallen nach ihm. In dieser Pein macht er den vierzehn Nofhelfern das Versprechen. Das war seine Rettung. Mit einem Male setzte das Rauschen aus, der Nebel zerfloß, und das Tal lag friedlich wie eh und je.

Als der Fuhrmann schon Dobretshofen entgegenfuhr, gewann er wieder Wut. Er hielt das Gespann an und lauschte zurück. Nichts regte sich. Da schämte er sich seiner Furcht, "Bin ich schon ein Hasenfuß?" spottet er über sich. Der Übermut stach ihn auf einmal wieder. "Ob das vielleicht die Hexe vom Katzensteg gewesen ist, die zur Nachtzeit ihre Wäsche schwemmt?" fragte er sich."Vor einem Kinderschreck fürchtest du dich?"

"Nein!" Schrie er plötzlich, klatschte in die Hände und rief zurück. "He, Wäscherin, schwemm mir auch das Hemd!" In diesem Augenblick rauschte der Bach mächtig auf und in wallenden Nebel gehüllt schwebte die Wasserhexe heran. Die lange, weiße Gestalt schleppte hinter sich ein Leintuch nach, das sich im Wind blähte. Als sie der Knecht herannahen sah, schlug er auf die Pferde ein und jagte in scharfem Galopp heim. Wie der Wind hetzte er durch das Tor und verriegelte es sogleich hinter sich. Doch schon war auch die Hexe da. Hart dröhnten Schläge an die Torpfosten, und über den Mann schwoll das  Rauschen des Baches an, als käme ein ganzer Strom in Bewegung. "Gib dein Hemd heraus!" forderte gebieterisch eine kirrende Stimme. Geschwind riß sich der Knecht das Hemd vom Leib und schleuderte es über die Tormauer. Das Rauschen verebbte, die Hexe zog mit dem Hemd von hinnen.

Als am anderen Morgen die Leute aus Dobretshofen zur Feldarbeit gingen, sahen sie ein zerfetztes Hemd auf dem Wipfel einer hohen Erle flattern. Der Knecht aber erholte sich nicht mehr von der ausgetandenen Angst, er begann zu siechen und beschloß bald darauf sein Leben.

 Wasserhexe vom Katzensteg